News 25.03.2024, 15:14

Halbzeit beim "Forschungsjahr im Parlament"

In Bildungsfragen sind Abgeordnete um Wissenschaftlichkeit bemüht, findet Parlamentsforscherin Bianca Winkler heraus.

Sechs Monate des ersten "Forschungsjahr im Parlament 2023" sind vorüber. Forschungsprojekte sollen die kritische Auseinandersetzung und Weiterentwicklung der parlamentarischen Wissensressourcen ermöglichen. Das erste Forschungsjahr wurde im Rahmen des "Tag der Parlamentsforschung" im Juni 2023 vergeben. 

Der erste Tag der Parlamentsforschung hat am 26. Juni 2023 im Parlament stattgefunden. Ziel war ein Austausch zwischen Wissenschaft und Politik. 

Wissenschaftsbegriff in Plenardebatten

Wissenschaftshistorikerin Bianca Winkler ist die erste Wissenschafterin, die ein Forschungsjahr mit den Ressourcen des Parlaments verbringt. Ihr Projekt trägt den Titel "Die Rezeption von Wissenschaftsdiskursen in der Debattenkultur des Parlaments. Eine Inhaltsanalyse wissenschaftsbezogener Argumentationsstrategien in der politischen Diskursstruktur in Österreich". Sie widmet sich der Frage, wie Nationalratsabgeordnete in Plenardebatten der Jahre 2020 bis 2022 über Wissenschaft sprechen und welche Vorstellungen von Wissenschaft sie dabei vermitteln.

Im Vorfeld tauschte sich Bianca Winkler mit den Expert:innen der Abteilung für Parlamentswissenschaftliche Grundsatzarbeit aus. Sie bekam eine Einschulung in Bibliothek und Archiv und sprach mit den Stenograph:innen des Hauses.

Bianca Winkler ist Historikerin, Sozialwissenschaftlerin, Philosophin, Vortragende an der Universität Wien, Autorin, Instruktorin für Tanz- und Theaterpädagogik sowie Fitness- und Gesundheitstrainerin.

Wissenschaft in Bildungsdebatten

Bianca Winkler hat zur Halbzeit ihres Forschungsprozesses folgendes herausgefunden:

  • Die Schlagwortsuche "Wissenschaf* und Studi*" führt erstaunlich oft in den Bildungsbereich. Politiker:innen fordern Studien und evidenzbasierte Politik speziell im Zusammenhang mit Bildungspolitik etwa beim Lehrer:innenmangel oder bei der Lehrer:innenausbildung ein.
  • Es gibt einen Bedeutungswandel der Begriffe. Ist aktuell die Rede von "evidenzbasierter" oder "evidenzorientierter" Politik, bezieht sich der oder die Sprecher:in auf das aus seiner oder ihrer Sicht wissenschaftlich erwiesene Fundament. In Debatten der 1920er/30er Jahre ging es dahingegen vorrangig um Soldaten oder Pferde, die "in Evidenz" gehalten wurden.

Überrascht war Bianca Winkler von der Emotionalisierung wissenschaftlicher Begriffe, die von einigen Politiker:innen vorgenommen wird. Hier ist Wissenschaft offenbar synonym mit ethischer Wahrheit – was aus Sicht der Wissenschaftstheorie eine problematische Definition ist, so die Forscherin. 

Kommende Schritte

Um die bisherigen Erkenntnisse zu vertiefen, wird sie in den kommenden Monaten leitfadengestützte Gespräche mit den Wissenschaftsprecher:innen der Nationalratsklubs führen. Die Hinweise und Ergebnisse dieser Interviews sollen in weiterer Folge mit einer Abfrage der Parlamentsdatenbank verschränkt werden, um so das Verständnis der Bedeutung des Wissenschaftsbegriffes im parlamentarischen Diskurs zu vertiefen.

Die Ergebnisse ihrer Forschung wird Bianca Winkler am zweiten "Tag der Parlamentsforschung" am 20. Juni 2024 präsentieren. Außerdem plant sie, ihre Forschungsergebnisse in einem wissenschaftlichen Journal zu publizieren.