Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Noch einmal zum Thema Lohn statt Taschengeld: Die Frage wäre: Warum konnten Sie sich innerhalb der Regierung nicht durchsetzen, die notwendigen Mittel für die 28 000 Beschäftigten im Bereich der betreuten Werkstätten herauszuholen, um für sie eine lohn- und sozialversicherungsrechtliche Absicherung zu ermöglichen?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 1955/M-BR2024, hat folgenden Wortlaut:

„Warum können Sie sich innerhalb der Regierung nicht durchsetzen, damit die erforderlichen Mittel aufgebracht werden, um allen 28.000 Beschäftigte in betreuten Werkstätten endlich einen Lohn und die volle sozialversicherungsrechtliche Absicherung zukommen zu lassen?“

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Präsidentin Margit Göll: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Da müsste man, bei allem Respekt Frau Bundesrätin, wohl auch die Bundesländer fragen, warum sie nicht bereit sind, dort in die Finanzierung einzutreten, weil es vor allem deren Zuständigkeit ist.

Ich kann mich nur bemühen, Anschubprojekte, Anschubfinanzierungen zustande zu bekommen. Das tun wir, das haben wir gemacht und da sind die Rückmeldungen, glaube ich, im Unterschied zur persönlichen Assistenz, wo es eine Mühsal war – das sage ich Ihnen ganz offen –, alle Bundesländer ins Boot zu bekommen, sehr gut. Da sind die Rückmeldungen aus allen Bundesländern: Ja, sie wollen sich daran beteiligen. Da geht es ja schlicht darum, die vorhandenen Fördertöpfe zu kombinieren, zusammenzuspannen.

Es kann ja nicht so sein, dass der Bund dann in Ersatzvorlage tritt und die gesamte Finanzierung des Behindertenbereichs übernimmt, weil die Länder da auch die Zuständigkeit haben.

Es geht schon darum, auch die Mittel zusammenzusparen, was auch passiert. Dazu sind die Bundesländer auch bereit. Wie ich schon zuvor ausgeführt habe: Der Zugang ist schon auch, die Menschen aus den Einrichtungen hinauszubekommen. Es ist also nicht die Zielsetzung, die 27 000 Menschen, die wir jetzt in den Einrichtungen haben, dort zu belassen. Sie sollen tunlichst und nach Möglichkeiten hinaus, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass dort unglaublich viel an Potenzial vorhanden ist. Wenn wir Menschen mit Behinderungen nicht daran messen, was sie nicht können, sondern daran, was sie können, dann geht das auch. Ich glaube, dass wir jetzt mit den Projekten auf einem guten Weg sind.

Wie gesagt: Die Förderrichtlinie dazu wird noch vor dem Sommer verabschiedet, und ich gehe davon aus, dass das wirklich eine Erfolgsgeschichte werden wird.

Präsidentin Margit Göll: Frau Bundesrätin, wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Völlig richtig, es ist wichtig, möglichst viele Menschen mit Behinderungen auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen.

Jetzt sehen wir ganz starke Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz, in der Digitalisierung. Welche Maßnahmen werden denn aus Ihrem Ressort getroffen, um da Chancen aber auch Gefahren für Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt zu identifizieren beziehungsweise die Betroffenen zu unterstützen?

Präsidentin Margit Göll: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Also das ist eine Frage, die nicht nur Menschen mit Behinderung betrifft, sondern logischerweise den Arbeitsmarkt insgesamt. Wir sind ja im Bereich der Digitalisierung schon dabei, die Hürden möglichst abzubauen. Barrierefreiheit heißt auch in all diesen Fragen der Digitalisierung, Menschen mit Behinderungen den Einstieg zu ermöglichen, das heißt, auch dort Fortbildungs-, Schulungsmöglichkeiten anzubieten, in den Betrieben, in denen wir die Einflussmöglichkeiten haben, auch darauf zu achten, dass das passiert, dass Menschen mit Behinderungen die Schulungen bekommen, die notwendig sind.

Was die von Ihnen angesprochenen möglichen Gefahren angeht: Ja, das stimmt schon, künstliche Intelligenz darf nicht dazu führen, dass es zu weiteren Exklusionsprozessen kommt, das heißt, dass Menschen mit Behinderungen, weil Dinge in die digitale Welt oder in die Welt der künstlichen Intelligenz verlagert werden, dann ausgeschlossen sind.

Meine Einschätzung ist, dass Menschen mit Behinderungen durchaus die Fähigkeit haben, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden. Man muss die Angebote schaffen und die Ausbildungen dafür bereitstellen und muss auch im betrieblichen Umfeld dafür sorgen, dass dort die Barrierefreiheit auch gewährleistet ist.

Ich habe mich unlängst bei einem Besuch auch in integrativen Werkstätten überzeugen können, was dort mittlerweile für Menschen mit Behinderungen geleistet und angeboten wird – das ist schon beispielhaft.

Präsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Wir haben ja schon viel gehört zu Lohn statt Taschengeld und mich würde konkret noch einmal interessieren, welche nächsten Schritte zu Lohn statt Taschengeld in den Werkstätten geplant sind.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Wie gesagt, wir sind jetzt dabei, alle Bundesländer ins Boot zu holen. Das dürfte gelingen, weil alle signalisiert haben, sie möchten mit dabei sein, weil es eben mit den 36 Millionen Euro auch eine attraktive Bundesförderung gibt.

Es wird jetzt, wie auch schon angedeutet, die konkrete Ausgestaltung der Förderrichtlinien ausgearbeitet, weil es eben darum geht, zu überlegen: Welches Angebot ist in einem Bundesland schon vorhanden? Kann dort angedockt werden, ja oder nein? Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden? Müssen möglicherweise Projekte in Bundesländern adaptiert werden, um in diese Förderrichtlinie hineinzufallen? Das wird bis zum Sommer der Fall sein und dann sind wir sozusagen startbereit.

Präsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Christoph Steiner gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsident! Herr Minister! Da ja die SPÖ die gleichen Fragen stellt wie die ÖVP, hat sich meine Zusatzfrage erledigt, weil schon mehrmals darauf eingegangen wurde, wie der Verhandlungsstand mit den Bundesländern ist. Danke also für die Beantwortung vorweg schon.

Präsidentin Margit Göll: Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Simone Jagl gemeldet. Ich bitte darum.

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Jetzt haben wir schon gehört, dass es 36 Millionen Euro für Pilotprojekte in Bezug auf Lohn statt Taschengeld geben wird. Wie hoch wären die Kosten für eine komplette Systemumstellung?

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das war eine Frage, die wir im Zuge der an der Wirtschaftsuniversität beauftragten Studie zu ergründen und zu eruieren versucht haben. Das war deshalb notwendig, weil es wirklich komplexe Finanzierungsströme zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung gibt. Da hat sich gezeigt: Ohne Saldierungen würden den Ländern nach der Systemumstellung Mehrkosten von 390 Millionen Euro pro Jahr entstehen. Das ist die Gesamtsumme. Saldiert man die Verschiebungen, würden insgesamt Mehrkosten von rund 191 Millionen Euro pro Jahr entstehen. Diese Mittel würden zum Großteil den betroffenen Menschen mit Behinderung zugutekommen.

Präsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1953/M-BR/2024.

Ich bitte Anfragestellerin Bundesrätin Andrea Michaela Schartel um Ihre Anfrage. – Bitte.