Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Landwirtinnen und Landwirte und auch immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten wünschen sich mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei Lebensmitteln. Wie ist der aktuelle Umsetzungsstand bei der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 1961/M-BR/2024, hat folgenden Wortlaut:

„Wie ist der Stand der Umsetzung im Hinblick auf eine verpflichtende Herkunfts-Kennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln im Sinne von mehr Transparenz?“

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Präsidentin Margit Göll: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Seit 1. September 2023 gilt, wie wir wissen, die verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung. Das war der erste Schritt, den wir gemacht haben, um da voranzukommen. Hinsichtlich der Herkunftskennzeichnung bei verpackten Lebensmitteln ist es deutlich komplizierter, da erwarten wir einen Vorschlag der Europäischen Kommission, der im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie vorgelegt werden soll. Zwischenzeitlich bemühen wir uns, in einem Projekt die Auswirkungen der Herkunftskennzeichnung bei verpackten Lebensmitteln gemeinsam mit den beteiligten Stakeholdern darzustellen.

Die Umsetzung der Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten und verpackten Waren stellt sich durch längere Lieferketten und mehr Verarbeitungsschritten natürlich deutlich komplizierter dar.

Bei unserem Projekt, das wir lancieren – das Projekt heißt Kennzeichnung, Herkunft und Nachhaltigkeit bei verpackten Lebensmitteln –, erfolgt die Erstellung von Handbüchern zur Umsetzung der Kontrolle von produkt- und prozessbezogenen Kennzeichnungselementen. Ab Sommer 2024 soll ein Pilotversuch, beschränkt auf einen Lebensmittelsektor und ausgewählte Lebensmitteleinzelhändler, starten.

Präsidentin Margit Göll: Frau Bundesrätin, wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Ja, gerne. Sie haben angesprochen, dass auf nationaler Ebene bereits gearbeitet und diskutiert wird. Welche Stakeholder, die Sie angesprochen haben, sind in die Diskussionen eingebunden?

Präsidentin Margit Göll: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ich teile natürlich den Zugang, den Sie ansprechen: Transparenz ist eine Grundvoraussetzung, um auch als Konsumentin, als Konsument eine adäquate Entscheidung treffen zu können und um tunlichst auch zu Lebensmitteln zu greifen, die regional produziert sind, die unter fairen Bedingungen für die Tiere produziert sind, die auch nachhaltig produziert sind. Wir sind da mit den Stakeholdern der Wirtschaftskammer, der Landwirtschaftskammer und des Lebensmitteleinzelhandels in Gesprächen.

Was eine Herausforderung darstellt, das sage ich auch ganz offen, ist die Herkunftskennzeichnung in der gesamten Gastronomie. Ich und auch die Landwirtschaft würden das sehr begrüßen und wollen. Das scheitert aktuell am Widerstand der Wirtschaftskammer, was ich nicht verstehe, denn ich glaube, dass die Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie ein Asset sein könnte, um auch im Tourismus für die auf Qualität orientierte heimische Gastronomie ein Vorzeigemodell zu produzieren. Da braucht es aber wie gesagt noch Überzeugungsarbeit in der Wirtschaftskammer.

Präsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich weiß nicht, ob Sie auch soeben ein Déjà-vu-Erlebnis hatten, nämlich insofern, dass ausgerechnet jene Fraktion über Herkunftsbezeichnungen nachfragt, die seit über zehn Jahren dieses EU-Lieferkettengesetz bekämpft. Ich darf Sie daher, da es neben den Herkunftsbezeichnungen ja auch ein großer Wunsch von Konsumenten und Konsumentinnen ist, keine Produkte aus Kinderarbeit, aus Zwangsarbeit oder ähnlichen Dingen zu erhalten, Folgendes fragen:

Werden wir eine Chance haben, dass wir dieses Lieferkettengesetz genauso wie die Herkunftsbezeichnung noch erleben werden?

Präsidentin Margit Göll: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Die Abstimmung zum Lieferkettengesetz hat im Europäischen Parlament stattgefunden; das Abstimmungsverhalten der einzelnen Fraktionen setze ich als bekannt voraus. (Bundesrat Schennach: Aber die Umsetzung!) Die Umsetzung wird auf nationalstaatlicher Ebene stattzufinden haben. Das wird in die vertrauensvollen Hände der nächsten Bundesregierung gelegt werden.

Präsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Markus Steinmaurer zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Minister! Die Lebensmittelkennzeichnung ist für viele Österreicher wichtig, daher meine konkrete Frage an Sie:

Welche Vorkehrungen sind getroffen worden oder haben Sie getroffen, um eine einheitliche, nachvollziehbare Herkunftskennzeichnung für zur Gänze – also zu 100 Prozent und nicht wie üblich ab 50 Prozent – in Österreich hergestellte und produzierte erwerbbare Lebensmittel zu gewährleisten?

Präsidentin Margit Göll: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ich habe versucht, darzulegen, dass bei der Frage der Lebensmittelkennzeichnung zwischen verarbeiteten Produkten und verpackten Waren zu unterscheiden ist. Bei den nicht verarbeiteten Produkten und nicht verpackten Waren ist es einfacher, weil der Gestaltungsspielraum eher auf der nationalen Ebene zu sehen ist. Ich meine, da sind wir auf einem guten Weg.

Bei den verpackten Waren gibt es schon allein entlang der Frage, was genau denn alles ausgewiesen sein muss, erhebliche Differenzen innerhalb der europäischen Mitgliedstaaten, ganz zu schweigen von den Interessenlagen der Lebensmittelindustrie oder der Verpackungsindustrie. Das heißt, dort zu Regelungen zu kommen, die dann nicht Insellösungen darstellen, sondern auch nachvollziehbar und für die Konsument:innen transparent sind, ist eine Aufgabe, die europäisch gelöst werden muss; daran wird in der Europäischen Union und in der Europäischen Kommission gearbeitet.

In Europa stehen wir vor der Europawahl, es wird eine neue Kommission, ein neues Parlament geben, aber diese Frage wird auf jeden Fall in die nächste Periode der EU-Kommission hineinreichen, da dort auch die Erkenntnis Platz gegriffen hat, dass es diese Regelung brauchen wird. Das gilt auch in anderen Fällen, über die wir heute nicht gesprochen haben, wie in der Pharmalegislative. Wenn es grenzüberschreitende multinationale Interessenlagen gibt, bei denen auf der einen Seite die wirtschaftlichen Interessen der verarbeitenden Betriebe – der Lebensmittelindustrie, der Verpackungsindustrie – stehen, aber auf der anderen Seite dann in den Mitgliedstaaten die Konsumentinnen und Konsumenten davon betroffen sind, dann muss eine gesamteuropäische Lösung Platz greifen, und diese ist jedenfalls in Ausarbeitung.

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): In Österreich ist es so – Sie haben es angesprochen –, dass sich die Wirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer nicht einig sind. Gibt es da konkrete Vorstellungen?

Präsidentin Margit Göll: Es gibt keine Zusatzfrage zur Zusatzfrage.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Sie sind zwar schon kurz auf die Herkunftsbezeichnungen in der Gastronomie und darauf, dass Ihnen das sehr wichtig ist, eingegangen, aber vielleicht können Sie noch einmal kurz ein paar Worte dazu sagen, was Sie sich da wünschen würden.

Präsidentin Margit Göll: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das habe ich gesagt: Es gibt jetzt in der Gemeinschaftsverpflegung diesen Vorstoß, der im Übrigen erfolgreich ist, auch angenommen und umgesetzt wird, und ich halte die Nachvollziehbarkeit und das Wissen darüber, woher etwas kommt, für diejenigen, die es anbieten – also für die Gastronomie, um es klar zu sagen –, nicht für eine Hürde oder für ein Hindernis, sondern für ein Asset. Da muss, wie ich eben ausgeführt habe, noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, namentlich bei der Wirtschaftskammer. Ich weiß, dass die Landwirtschaft das will und jedenfalls dort auch die Bemühungen im Gang sind. Wir arbeiten mit großer Hartnäckigkeit daran, diese Überzeugungsarbeit zu leisten.

Präsidentin Margit Göll: Die Fragestunde ist nun beendet.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Minister, für die Beantwortung der Fragen, herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)