11.10

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich muss jetzt doch kurz, bevor ich zum Wohnschirm komme, auf die Ausführungen der FPÖ-Fraktion eingehen. Da ist ja der Eindruck erweckt worden, die Bundesregierung hätte nicht nur nichts getan, sondern massiven Schaden angerichtet: Natürlich ist das Gegenteil der Fall! Wenn ich Ihnen jetzt aufzählen würde, was die Bundesregierung insgesamt an Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, um die Armut zu bekämpfen und die Auswirkungen der Inflation, der Teuerung und der Energiekrise abzuwenden, dann würde das den Rahmen sprengen. Das sind in Summe 40 Milliarden Euro! (Beifall bei den Grünen.)

Mit diesen 40 Milliarden Euro stehen wir im internationalen Vergleich an zweiter Stelle nach Luxemburg, nur um das dazuzusagen. Diese Maßnahmen kann man zwar kritisieren, aber es gibt bei der Kritik einen fulminanten Unterschied zwischen den zwei Oppositionsparteien, nämlich der Oppositionspartei FPÖ auf der rechten Seite und der SPÖ auf der linken Seite: Die SPÖ betreibt zumindest im eigenen Wirkungsbereich, in jenen Bundesländern, in denen sie etwas zu sagen hat – Wien, Burgenland und Kärnten –, eine sozial orientierte Politik, während die FPÖ dort, wo sie in den Landesregierungen sitzt, genau das Gegenteil tut! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Ich werde es Ihnen genauer ausführen: Wenn Sie die soziale Notlage vieler Menschen in Österreich beklagen, dann muss man festhalten, dass die Veränderung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes durch Sie, durch Ihre Bundesregierung, das Einfallstor war, um das letzte soziale Sicherungsnetz, das es in Österreich gibt, löchriger zu machen! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Die Mindestsicherung war dieses letzte Auffangnetz, und das ist jetzt löchriger geworden.

Jetzt werde ich Ihnen erläutern, dass dort, wo Sie Regierungsverantwortung haben – in Niederösterreich und in Oberösterreich –, nicht einmal die Spielräume ausgenützt werden, die es im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gäbe. Nicht einmal die Spielräume, die vorhanden sind, werden in Niederösterreich und in Oberösterreich ausgenützt, und das hat Konsequenzen: Es ist nämlich so, dass in Oberösterreich die Wohnkostenpauschale nicht umgesetzt ist, es gibt keine Ausnahme bei der Deckelungsregelung. Das führt uns dann konkret zu wirklich massiven Fehlentwicklungen, dass nämlich Menschen in einem Bundesland wie Oberösterreich bis zu 320 Euro weniger Leistung bekommen als in jenen Bundesländern, in denen diese durch das Gesetz vorgesehenen Spielräume genutzt werden.

Das halte ich für wirklich unzumutbar: Dort, wo Sie die Möglichkeiten haben, stehen Menschen, die auf Sozialhilfe beziehungsweise Mindestsicherung angewiesen sind, am Rand der Gesellschaft, sie haben mit Erschwernissen zu kämpfen, im Unterschied zu anderen Bundesländern.

Sie legen diesen Menschen in Oberösterreich auch zusätzliche Hürden in den Weg: Die müssen dort, und ich halte das für Schikane, mehr Nachweise über Bewerbungen bringen, um Sozialhilfe zu bekommen, als das Arbeitsmarktservice von ihnen verlangt – das sind zusätzliche Schikanen, die eingezogen werden. Dort, wo Sie Regierungsverantwortung haben, drangsalieren Sie Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, und beklagen sich dann hier vollkommen unglaubwürdig darüber, was das denn bedeute. Das ist einfach nicht fair! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Übrigens habe ich aus meinem Herzen nie eine Mördergrube gemacht und auch gesagt, eine Kindergrundsicherung wäre jedenfalls ein Programm, das in Österreich umgesetzt gehört. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Die Mehrkosten, die uns aktuell volkswirtschaftlich durch Kinderarmut entstehen, betragen nämlich jährlich 17 Milliarden Euro – das besagt eine Studie der OECD, keine Studie des Sozialministeriums. Wir leisten uns den Luxus, Kinder zurückzulassen, obwohl wir angesichts der demografischen Entwicklung jedes einzelne Kind dringend brauchen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesrat Obrecht, ich schätze Sie als überaus kompetenten Bundesrat, der auch die Dinge auf den Punkt bringt, aber jetzt werde ich Ihnen einmal erläutern, wie sich die Zahlen in den beiden Feldern Energiekosten und Wohnkosten darstellen.

Sie wissen so gut wie ich, dass der Verein für Konsumenteninformation zwei große österreichische Energieversorger geklagt hat, weil dort Praktiken Platz gegriffen haben, die Konsumentinnen und Konsumenten massiv benachteiligt haben. Wien Energie wird jetzt zurückzahlen, das Verfahren gegen die EVN ist noch offen und anhängig. Es kann einfach nicht sein – und zwar egal, um welches Energieversorgungsunternehmen es sich handelt –, dass Preiserhöhungen sofort in vollem Ausmaß und mit zum Teil nicht gerechtfertigten Methoden – der VKI hat dagegen geklagt – an Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden, Preissenkungen hingegen entweder gar nicht oder nur mit Verzögerung.

Das ist dieselbe Taktik, die die Banken – auch die sind geklagt worden – bei Kontoüberziehungsgebühren oder bei Habenzinsen auf Girokonten anwenden. Ich halte das einfach für unvertretbar, dass große und mächtige Einrichtungen – und das sind die Energieversorger, das ist die österreichische Bankenwirtschaft –, wenn es zum eigenen Vorteil ist, Konsumentinnen und Konsumenten so behandeln, als wären diese nicht in der Lage, sich zu wehren! Der Konsumentenschutz nimmt da seine Verantwortung wahr und tritt solchen Praktiken entgegen.

Wir haben bei den über den Wohnschirm unterstützen Energiekosten und Wohnkosten folgende Situation: Wir haben ja insgesamt 216 Millionen Euro zur Verfügung, und wir wenden im Wohnschirm – der auch für Energiekosten da ist – mittlerweile für die Abdeckung von Energierückständen mehr Geld auf, und zwar deutlich mehr Geld auf, als für die Mieten! Wir decken also deutlich mehr Kosten ab, die für Energieversorgung entstanden sind, als für die Mieten – ich halte das für untragbar, und ich finde, die österreichische Energiewirtschaft hätte einen Beitrag zu leisten, unzumutbare Rückstände und Zahlungsverzüge so abzuwickeln, dass sie für die Konsumentinnen und Konsumenten machbar sind!

Wir steigen da jetzt mit Mitteln der öffentlichen Hand ein: Wir haben, Stand heute, 63 000 Personen über den Wohnschirm unterstützt, was konkret dazu geführt hat, dass diesen Menschen nicht Strom oder Gas abgedreht worden sind beziehungsweise dass sie nicht aus der Wohnung hinausgeflogen sind. Die Verhinderung einer Delogierung ist allemal kostengünstiger, als eine neue Wohnung organisieren zu müssen, die Einrichtung bezahlen zu müssen, die Kaution bezahlen zu müssen und ähnliche Dinge mehr.

Das ist eine volkswirtschaftlich simple Rechnung, und ich bin jetzt einfach an dem Punkt angelangt, das auch darzulegen: Das sind volkswirtschaftliche Nutzeffekte, die wir generieren, und was wir da investieren, ist nicht hinausgeworfenes Geld, sondern das sind Investitionen in die Absicherung. Das ist ökonomisch sinnvoll und daher vertretbar, und deshalb ist es auch von der Bundesregierung beschlossen worden. (Beifall bei den Grünen.)

Noch etwas zur Abwicklung, weil das wichtig ist. Es ist ja angesprochen worden, es gebe lange Wartezeiten – übrigens stimmt das nicht, was Sie zu den Einkommensgrenzen gesagt haben, das lässt sich leicht klarstellen –: Ja, wir wissen, es gibt Wartezeiten, aber es kommt niemand zu kurz. Wenn eine Delogierung ansteht, wird diese Person vorgezogen, und es gelingt oft innerhalb von 48 Stunden, eine Delogierung abzuwenden, weil Personen, die davon betroffen sind, eben vorgereiht werden, um das zu verhindern. Delogierungen zu verhindern ist also die oberste Devise, die beim Wohnschirm auch praktiziert wird.

An dieser Stelle möchte ich auch einmal ein Dankeschön an alle aussprechen, die das abwickeln. Die Abwicklungsstellen, von der Volkshilfe angefangen über die Caritas bis zu allen anderen Einrichtungen, leisten da hervorragende Arbeit, und denen gilt mein Dank! Sie sind konfrontiert mit den Menschen vor Ort – wir tun unser Bestes, um die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie gut arbeiten können, und wir stehen in ständigem Austausch mit diesen Einrichtungen. Danke schön für die Arbeit, die dort geleistet wird! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

11.19

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke sehr.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.