19.46

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Noch einmal einen schönen Abend, Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es ja schon gehört, es geht ja hier um das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2024 und der Titel lautet: Heute liefern, das Morgen vorbereiten – also „Delivering today and preparing for tomorrow“.

Das ist auch das letzte Arbeitsprogramm der aktuell amtierenden Kommission. Neben der angekündigten Vorlage 18 neuer politischer Initiativen will sich die Kommission in diesem Jahr primär auf den Abschluss anhängiger Gesetzgebungsverfahren konzentrieren. Wesentliche Schwerpunkte der Kommission umfassen unter anderem weiterhin die Umsetzung des Green Deals, davon haben wir ja heute schon einiges gehört.

Nun kam es aber – das Programm wurde ja vorbereitet und man hat sich gedacht: Das letzte halbe Jahr, das machen wir noch irgendwie –zu den Bauernprotesten und zu der Tatsache, dass Ursula von der Leyen eine weitere Periode als Kommissionsvorsitzende anstrebt. (Bundesrat Spanring: Na, bitte net!) Sie hat aber ihre Basis in der EVP und so wurde für das erste Halbjahr ein sogenannter Dialogprozess initiiert. In diesem Dialogprozess wurde eine Vision für die Zukunft der Landwirtschaft erarbeitet, und er hat dann solche Fragen aufgeworfen wie: Wie kann den europäischen Landwirten und ländlichen Gemeinden, in denen sie leben, eine bessere Perspektive geboten werden? Wie kann die Landwirtschaft innerhalb der Grenzen unseres Planeten und seines Ökosystems unterstützt werden? Wie sind die immensen Möglichkeiten, die Wissen und technologische Innovationen bieten, damit sie besser genutzt werden können? Wie schaut es in einer wettbewerbsorientierten Welt aus? Wir möchten ja eine glänzende und blühende Zukunft für die europäischen Lebensmittelsysteme fördern.

Aus Sicht der Sozialdemokratie kritisieren wir insbesondere, dass die Vom-Hof-auf-den-Teller-Strategie nicht wie geplant umgesetzt wird und die verbindliche Pestizidreduktion europaweit leider auch nicht kommt. Außerdem wird es bei den Nutztieren zu keiner Haltungsverbesserung kommen und die Biodiversität wird nicht wie geplant stärkere Berücksichtigung finden, sondern im Gegenteil: Da haben die Landwirte mit ihren Protesten erreicht, dass die in der GAP – das ist die gemeinsame Agrarpolitik in der EU – vorgesehenen Biodiversitätsflächen nun nicht mehr so vorgegeben werden sollen. Das hat aber auch eine direkte Auswirkung auf die Artenvielfalt und auf die Bestäubersituation, auf die Wasserspeicherkapazität der Böden beziehungsweise einfach auf die Natur. Generell haben viele Agrarminister, inklusive unseres eigenen, alles daran gesetzt, dass der Ast, auf dem die Landwirtschaft sitzt, weiter brüchig wird. Es sollte in dieser Gesetzgebungsperiode nämlich eigentlich darum gehen, gesunde Böden zu erhalten oder wiederherzustellen (Beifall bei der SPÖ) und sich gegen den Klimawandel zu rüsten oder selbst etwas gegen die CO2-Emissionen zu tun.

Wir als Sozialdemokraten sehen das wirklich als vertane Chance, denn Bürger:innen wollen eine Veränderung auf den Feldern Europas durch eine nachhaltigere und eine tierfreundlichere GAP sehen. Leider haben die Mehrheiten gefehlt und deswegen kam es zu keiner Systemumstellung. Die GAP könnte einen wesentlich größeren Beitrag leisten, um die EU-Treibhausgasemissionen um 55 Prozent zu senken und den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2030 aufzuhalten.

Nun haben wir gerade beschlossen, dass wir eine einheitliche Ausbildung garantieren. Wir haben uns darüber unterhalten, dass wir gerne Artenvielfalt haben, aber irgendwie fehlt mir auf der europäischen Eben dazu noch manchmal der Wille. So wird das alles auch mit den europäischen Zielen für die ökologische Landwirtschaft kollidieren, wenn es darum geht, den Einsatz von Pestiziden oder auch den Einsatz von Antibiotika beziehungsweise die Düngemittelbelastung zu halbieren. Vielleicht wird die Agrarpolitik auch irgendwann einmal gerechter werden, das ist ja eine Forderung, die schon am Tisch liegt – nur 20 Prozent der Unternehmen erhalten weiterhin 80 Prozent der Förderungen.

Noch ein weiterer Punkt: Die sogenannte soziale Konditionalität, also eine Vorgabe, um Agrarfördermittel beziehen zu können, sollte unter dem Titel Bürokratieabbau ebenfalls auf der Liste der Vorgabestreichungen sein. Das konnten wir vorerst verhindern, denn die soziale Konditionalität bedeutet derzeit, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb Sanktionen erhält, ihm also Förderungen gestrichen werden, wenn er nachweislich Arbeitnehmer:innenrechte nicht eingehalten hat. Wir wissen und wir sehen immer wieder, dass es bei den Erntehelfern zu Schwierigkeiten kommt und dass man da einfach gut hinschauen muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Von unserer Fraktion wurde dazu auch ein entsprechender Antrag eingebracht, der diese Forderungen unterstreichen würde, der aber leider abgelehnt wurde.

Ein weiteres Zugeständnis der Kommissionsvorsitzenden ist das Fallenlassen der 2019 so klar angekündigten verbindlichen Pestizidreduktion. Ich habe darauf schon vorhin einmal kurz Bezug genommen. Auch in diesem Punkt braucht es eine fortschrittliche Agrarpolitik, was weniger hochgefährliche und chemisch-synthetische Pestizide auf den Feldern bedeuten sollte.

Der Green Deal – das muss ich leider sagen, Herr Landwirtschaftsminister – wurde aus meiner Sicht auch von Ihnen torpediert und es wurde alles unternommen, damit er nicht wie geplant zur Umsetzung kommt.

Wenn wir jetzt einen Blick in die Zukunft werfen, ist ja zu befürchten, dass ein noch stärker konservativ geprägtes Europäisches Parlament die Verhandlungen zur nächsten GAP dominiert und damit eine wichtige Chance vertan wird, die wir brauchen, damit die Zukunft der gesunden Lebensmittel auch eine ist, die für uns alle eine gute wird, denn wir hätten auch gerne Lebensmittel am Tisch und am Teller, die kein Tierleid verursachen und pestizidfrei sind. (Zwischenrufe der Bundesräte Gfrerer und Tiefnig.))

Noch ein Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Wasserreserven in der EU. Auch da sollte bitte hingeschaut werden und die Wasserreserven sollten mit Bedacht Verwendung finden, denn der Klimawandel verändert mit Gewissheit die europäische landwirtschaftliche Produktion in den nächsten Jahren immer weiter. Wir sehen es ja und hierbei ist Agieren und nicht Blockieren angesagt, inklusive gerechter Verteilung der Fördermittel, damit sie dort ankommen, wo sie gebraucht werden – also keine Flächenbesitzförderungen, sondern dass eventuell auch Umweltleistungen zugesprochen werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich noch einen Blick in Richtung EU-Wahl machen. Wir haben es heute immer wieder von unseren Rednern gehört: Die EU-Wahl ist eine Richtungswahl und wir werden dann schauen, wohin sich das Europäische Parlament entwickelt, denn wir brauchen einen sozialen, einen wirtschaftlichen und einen gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil die Ereignisse in der Ukraine, aber auch die Ereignisse im Nahen Osten, uns daran erinnern sollten, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.53

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile ihm dieses.