20.00

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Ja, bei diesem Tagesordnungspunkt geht es, wie wir vorhin gehört haben, um den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft. Aus diesem kann man entnehmen, dass es immer weniger Landwirte in Österreich gibt. Wir haben aktuell, das wurde heute schon einmal erwähnt, nur mehr 109 000 bäuerliche Betriebe. Durch den EU-Beitritt wurde das Tempo des Bauernsterbens ja noch weiter verschärft. Es war damals wie heute dasselbe hausgemachte Problem, dass die Bundesregierungen stets unter ÖVP-Beteiligung und die sogenannte Interessenvertretung Landwirtschaftskammer die Bauern immer gerne für die EU geopfert haben.

Vergleicht man den Grünen Bericht von 1994, noch vor dem EU-Beitritt mit dem Grünen Bericht von 2023, der mehr beschönigt, wird für jede Person mit gesundem Hausverstand klar, dass das lückenlose alleinige ÖVP-Regiment über den Agrarbereich der letzten 30 Jahre die österreichische Landwirtschaft gegen die Wand gefahren hat, so wie es aktuell gerade mit der Wirtschaft passiert. In den Grünen Berichten der letzten Jahre ist stets von leichten Rückgängen zu lesen. Vergleicht man aber die Daten der letzten Jahre mit denen von 1994 wird deutlich, dass der Verluste an landwirtschaftlichen Betrieben und der Rückgang in der landwirtschaftlichen Produktion nur als massiv und keinesfalls mehr als leicht bezeichnet werden können.

Die Aussage des damaligen ÖVP-Landwirtschaftsministers Molterer im Vorwort des Berichts, der dort vom Ende der Ära unserer bäuerlichen Familienbetriebe gesprochen hat, ist schon damals sehr bezeichnend gewesen. In diesem Strukturwandel ist jeder zweite österreichische Hof der EU zum Opfer gefallen.

Beispiele zum Rückbau unserer Landwirtschaft, zur Dezimierung des Tierbestandes: In Österreich gab es 1994 noch 2,3 Millionen Rinder, jetzt, 2023, sind es 1,86 Millionen, sprich ein Minus von 19,1 Prozent. Damals waren es noch 3,7 Millionen Schweine, jetzt sind es  noch 2,65 Millionen Schweine, sprich ein Minus von 28 Prozent. Im Gegenzug wächst aber unsere Bevölkerung von 7,9 Millionen Bürgern auf 8,9, sprich ein Plus von 12,7 Prozent. Wenn in unserem Land täglich bäuerliche Betriebe ihre Produktion dank Ihrer Politik auf Bundes- und EU-Ebene einstellen, während gleichzeitig unsere Bevölkerung wächst, dann frage ich mich, ob Sie, Herr Totschnig, Ihre Kalkulationen etwa mit dem gleichen Programm machen wie die SPÖ ihre Vorsitzendenwahl? (Beifall bei der FPÖ.)

Schon im ersten EU-Beitrittsjahr kam es zu ersten Einbrüchen, damals bei den landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen, im Durchschnitt von minus 18 Prozent und folglich zu einem Rückgang der Endproduktion um minus 24 Prozent. Die damaligen Einkommensverluste wurden teilweise durch die Aufstockung der Direktzahlungen ausgeglichen, um die Bauern ruhig zu halten. Ihr damaliger ÖVP-Agrarkommissar Franz Fischler verordnete den Bauern mit der GAP ab 1999 schrittweise spürbare Einschränkungen bei den Ausgleichszahlungen, da man das Geld für die Bauern in Osteuropa brauchen würde. Das war der damalige Slogan. So wurden schon damals die Bauern durch Sie mit der harten Politik der EU konfrontiert: höhere Produktionskosten, niederere Einkommen.

Die Landwirte wurden von der Brüsseler Politik mit allen ihren Lobbyisten mit dem Slogan, dass es nichts kosten darf, massiv unter Druck gesetzt. Wachse oder weiche – so wurde der Strukturwandel der Landwirtschaft befeuert. So kommt es auch, dass die Landwirtschaft immer mehr in die Industrialisierung geht. Der durchschnittliche Bauernhof damals hatte weniger als 10 Hektar. Schon damals wurden die Bauern durch niedrigere Erzeugerpreise ruiniert und von den Konsumenten mit hohen Regalpreise abkassiert. Die Preistreiber von damals wie heute: Exportsubventionen, Lagerhaltung und die Profite der Verarbeitungsindustrie. Der Bauer bekam damals wie heute für seine Produkte nur einen Bruchteil des Geldes, das der Konsument bezahlt. Subventionen versickern in der Agrarverwaltung, bei Transportfirmen und Exporteuren. Zu den Profiteuren gehören auch die Genossenschaften, welche Banken geworden sind. Raiffeisen war und ist der größte EU-Befürworter. Mit immer höheren Auflagen und strengen Richtlinien werden die Bauern zu immer höheren Investitionen getrieben, um zu überleben. So landen sie dann in der Schuldenfalle. Auch in diesem Bereich ist der Raiffeisen-Konzern der Hauptprofiteur. (Beifall bei der FPÖ.)

Ungeniert wurden Milliardenprofite auf Kosten der Bauern gemacht. Sie als ÖVP sind es, die die Bauern hier in unserem Land in diese Lage gebracht haben und unsere Landwirte nicht ehrlich gegenüber der EU vertreten haben. Ihr Kammerpräsident Schmuckenschlager beschwert sich über praxisfremde Verordnungen. Der EU-Spitzenkandidat für Niederösterreich beschwert sich über die EU-Bürokratie. Jetzt stellt sich für mich die Frage: Habt ihr in der ÖVP intern ein Kommunikationsproblem?

Sie haben unsere Bauern damit drangsaliert und die Auflagen werden durch die AMA kontrolliert. Schließlich bekommt die AMA von Ihnen als Dankeschön die meisten Agrarsubventionen. Jetzt, wo die zwei wichtigen Wahlen bevorstehen, rudern Sie mit all Ihrer Agrarpolitik zurück, obwohl Sie alldem selbst zugestimmt haben.

Das I-Tüpfelchen Ihrer Aussagen ist doch, dass Sie den Widerstand der Bauern verstehen würden. Waren es doch Sie, die die eigenen Bauern davor gewarnt haben, hier in Österreich auf die Straße zu gehen. Sie halten die eigene Wählerschaft mit Angst in Schach, weil sich immer mehr von Ihnen abwenden. Sie haben unsere Bauern anscheinend weit unterschätzt. Sie lassen sich nicht weiter von Ihnen knechten, organisieren sich selbstständig ihre Proteste und bringen Sie, Herr Landwirtschaftsminister Totschnig, ins Schwitzen. Sie sitzen schon längst nicht mehr mit unseren Bauern in Österreich in einem Boot, sonst hätten die 1 000 Bauern und Bäuerinnen ihren Unmut in Österreich Anfang März nicht kundgetan. 500 Traktoren sammelten sich am Gelände des Lasco-Werkes, um Ihnen, Herr Landwirtschaftsminister Totschnig, und speziell den Bauernbündlern und den Parlamentariern der ÖVP auszurichten, dass sie genug haben von dieser Politik. (Beifall bei der FPÖ.)

Schließlich haben Sie vor Tagen das Volksbegehren für die Herkunftskennzeichnung, das von 150 000 Bürgern unterstützt wurde, abgelehnt. Ich frage mich im Namen aller Bauern und Bäuerinnen: Was hat Sie davon abgehalten, eine wahrhaftige Politik für unsere Landwirte hier bei uns in Österreich und in der EU zu vertreten? Ist Ihnen Ihre Scheinheiligkeit gar nicht peinlich? Sie sind in ständigem Kontakt, im Austausch mit den Beamten in Brüssel, segnen Entscheidungen mit ab und sind über alle Vorgänge stets informiert, spielen aber hier in Österreich dann das Spiel der Täuschung, der Unwissenheit. Sie betreiben reine Ankündigungspolitik gegenüber den Landwirten.

In der Ausschusssitzung des Nationalrates vom 13. März wurden folgende Anträge seitens der FPÖ gestellt, und alle wurden von Ihnen wieder vertagt: Entlastung der Landwirtschaft, Schutz der Almwirtschaft vor dem Wolf, Nein zur Inverkehrbringung von Laborfleisch, lückenlose Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln. Anstatt sich schützend vor unsere Bauern zu stellen, was Ihre Aufgabe wäre, setzen Sie sich für die Interessen der EU-Bonzen ein. Es wird höchste Zeit, dass die Bauern wieder von ihrer Arbeit leben können. Die Landwirte sind nicht Ihre Knechte. Im Gegenzug zu unserer Bundesregierung hat die EU-Kommission auf die Proteste der Bauern in Brüssel reagiert – wenn auch minimal – und nun werden wenigstens die Vorschriften für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen gelockert. Die sinnlose Außernutzungsstellung von Agrarflächen wird nun aufgehoben. Wir, die FPÖ, fordern es laufend, aber Sie haben es stets ignoriert. Scheinheilig ist nicht nur die EU-Agrarpolitik, scheinheilig und falsch ist auch die ÖVP-Landwirtschaftspolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir freiheitlichen Bauernvertreter fordern den Ausstieg aus dem Green Deal. Es braucht weniger EU-Bürokratie. Statt Bauern zu verpflichten, weitere Flächen aus der Produktion zu nehmen, muss die heimische Produktion unterstützt und gestärkt werden. Sozialversicherungsbeiträge in Krisenzeiten müssten als gerechte, rasche und unbürokratische Hilfe erlassen werden. AMA-Marketingbeiträge gehören in der jetzigen Situation abgeschafft. Die AMA-Beiträge sind spätestens seit der Einführung eines allgemeinen Flächenbeitrages eine versteckte Grundsteuer. Raus aus der Kostenfalle! Die Mehrwertsteuer auf Betriebsmittel sowie die Mineralölsteuer müssen für alle landwirtschaftlichen Betriebe ausgesetzt werden, um die explodierenden Produktionskosten einzudämmen.

Das beste Beispiel dafür war wieder die gestrige EU-Ausschusssitzung, in der wir mit dem Antrag zur Lebensmittelkennzeichnung in Bezug auf Tiertransport, zum Tierwohl und im Endeffekt dann auch zur Gesundheit für die Bevölkerung einen Beitrag leisten wollten. Die ÖVP hat unseren Antrag wieder abgelehnt. (Beifall bei der FPÖ.)

20.09

Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile ihr dieses.