20.09

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Noch einmal: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Bericht haben wir jetzt schon relativ viel gehört. Und ja, da gibt es einige Punkte, die bedauerlicherweise auf Eis gelegt wurden, abgeschwächt wurden oder sich verzögern. Dennoch möchte ich einige Initiativen vorstellen, die im Berichtsjahr 2024 im Bereich der Landwirtschaft aus unserer Sicht trotzdem relevant sind.

Ein wichtiger Punkt aus unserer Sicht ist die Zertifizierung von CO2-Entnahmen. Da hat sich der Rat im November 2023 auf eine Position geeinigt, die Trilogverhandlungen sollen noch unter der belgischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2024 abgeschlossen werden. Auch wenn die Vermeidung und Reduktion von Emissionen Priorität haben muss, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, muss der Atmosphäre auch CO2 entzogen werden und es muss dauerhaft gebunden oder gespeichert werden. Da werden wir nicht darum herumkommen, und zwar unabhängig davon, ob die globale Erwärmung auf eineinhalb oder zwei Grad begrenzt werden soll. Ein Einsatz von CO2-Entnahmetechnologien wird unausweichlich sein.

Worum geht es bei der CO2-Entnahme, dem sogenannten Carbonremoval? Das sind Prozesse der dauerhaften – und das ist wirklich wesentlich – Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre und dessen Einschluss in Kohlenstoffsenken. Das Spektrum reicht dabei von rein technologischen Lösungen bis hin zu naturbasierten Technologien. Dabei kommt der Land- und Forstwirtschaft wirklich eine bedeutende Rolle zu. Die Technologien unterscheiden sich nach ihren Kosten und Potenzialen, aber auch in ihren Nebenwirkungen auf die Ökosysteme. Auf lange Sicht werden wir eine Mischung aus verschiedenen Technologien und Techniken brauchen.

Was kann die Land- und Forstwirtschaft dazu beitragen? – Einerseits die Aufforstung. Dabei wird CO2 durch Fotosynthese in Biomasse umgewandelt. Das Ministerium weist im vorliegenden Bericht zu Recht darauf hin, dass jedes Zertifizierungssystem im Einklang mit einer nachhaltigen Waldwirtschaft sein muss. Dann wird noch eine Änderung der Landnutzung notwendig sein, beispielsweise durch Änderung des Fruchtwechsels beziehungsweise der Weidennutzung. Durch eine Wiedervernässung von Mooren wird CO2 in Pflanzen und Sedimenten gespeichert. Die Land- und Forstwirtschaft kann da also wirklich viel beitragen.

Auch ein Punkt, der heute schon erwähnt wurde, den ich aber noch einmal erwähnen möchte, ist: Kommissionspräsidentin von der Leyen hat Ende 2023 einen strategischen Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft ausgerufen. Im Jänner war da der Auftakt. Bis zum Sommer soll es Ergebnisse geben. Es werden Inputs von Stakeholder:innen, von Landwirt:innen und allen Akteur:innen entlang der Lebensmittelkette berücksichtigt. Dabei werden wichtige Themen wie zum Beispiel das Einkommen und der Lebensstandard der Landwirtinnen und Landwirte behandelt. Wir haben heute hier im Haus schon über die Herausforderungen gesprochen, vor denen die Bäuerinnen und Bauern stehen, und das durchaus nicht zum ersten Mal. Auch die Frage, wie sich die Landwirtschaft innerhalb des gesetzten ökologischen Rahmens entwickeln kann, soll behandelt werden.

Ein Vorschlag zur Lebensmittelkennzeichnung lässt leider auf sich warten, angekündigt war er für Ende 2023. Eine einheitliche, umfassende und vor allem leicht verständliche Nährwertkennzeichnung auf den Verpackungen wäre wirklich ein wichtiger Meilenstein zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas anderes sagen. Die Wahlen zum Europäischen Parlament rücken näher, und mir geht es da wahrscheinlich wie vielen von euch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich rede mit Menschen über die Wahlen und erlebe, wie weit weg die EU für viele Leute ist und wie wenig über die EU bekannt ist. Damit meine ich auch ganz grundlegende Dinge, also beispielsweise wie sich die EU zusammensetzt, wozu es sie gibt und was sie mit unserem täglichen Leben zu tun hat. Das fängt schon damit an, dass das Institutionengeflecht oft schwer zu durchschauen ist, dass viele Menschen sich zum Beispiel nicht bewusst sind, dass der Rat der Europäischen Union und der Europäische Rat nicht dasselbe sind oder welche Institutionen welche Funktionen haben, und das, obwohl in den Nachrichten regelmäßig über die Ratspräsidentschaft oder die EU-Gipfel berichtet wird.

Ich denke, dass gerade eine Zeit vor Wahlen zum Europäischen Parlament eine gute Gelegenheit für uns alle ist – oder zumindest für die meistens von uns –, als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu wirken. Gerade wir als Mitglieder des Bundesrates können den Menschen außerhalb unserer Blasen näherbringen, was sie von einer starken EU haben. Gehen wir hinaus! Reden wir mit den Leuten! Überlassen wir nicht jenen das Feld, die Falschinformationen verbreiten und Unsicherheit säen. –Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bunderates Arlamovsky.)

20.15

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Für eine Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Bundesminister Totschnig. Ich erteile dieses.