20.28

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause via Livestream, die uns vielleicht doch noch auch um diese Uhrzeit zuschauen! Nach dem Beschluss zum Gründungsgesetz vom Oktober 2022 soll nun also heute die Rechtsgrundlage für den dauerhaften Betrieb des Institute of Digital Sciences Austria oder eben Interdisciplinary Transformation University, kurz ITU, beschlossen werden.

Wir als Sozialdemokratie haben ja schon 2022 unsere Kritik zu diesem – ich nenne es jetzt wirklich einmal so – Konstrukt deutlich geäußert und haben schon damals unsere Zustimmung dazu nicht geben können. Heute, knapp eineinhalb Jahre später, sehen wir unsere Kritik noch immer nicht ausgeräumt, ganz im Gegenteil, eher bestätigt.

Wenn man sich in den Stellungnahmen, die innerhalb der Begutachtungsfrist eingelangt sind, die eine oder andere Formulierung ansieht, dann sollte man sich einmal darüber Gedanken machen. Da ist von problematisch, mangelhaft, widersprüchlich, von politischen Interessen getrieben und so weiter die Rede. Ich könnte das jetzt noch weiter fortführen. Das heißt, mit unserer Kritik an diesem Gesetz sind wir bei Weitem nicht allein, und alleine das sollte Ihnen, glaube ich, schon zu denken geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Kritik beginnt bereits ganz grundsätzlich bei der Struktur dieser geplanten Universität, und man muss sich tatsächlich die Frage stellen, ob es denn auch eine Universität ist und als solche auch zu definieren und zu bezeichnen ist. (Bundesrat Schennach: Genau!)

In Wahrheit ist es eine Mischform aus öffentlicher Universität, privater Universität und Fachhochschule, in ganz wenigen Aspekten vielleicht dem Universitätsgesetz auch tatsächlich unterliegend, in vielen, vielen anderen dann aber wieder nicht.

Es ist uns auch im Ausschuss tatsächlich bestätigt worden, es ist in irgendeiner Form sogar ein Experiment mit – wie es im Ausschuss geheißen hat – weitreichenden Neuerungen, um sich von gewohnten Strukturen der Universitäten zu lösen. Na ja, das klingt sehr blumig und sehr schön, aber wenn man dann ins Detail schaut, muss man sehr wohl das eine oder andere hinterfragen. Sogar Uniko-Präsident Vitouch spricht es ganz eindeutig an, er spricht von einem Wolpertinger. Ich glaube, ich muss das nicht näher ausführen, in dem Fall von einem Universitäts-Fabel- oder Mischwesen, einem Mischkonstrukt. Er befürchtet, dass dieses Experiment in einigen Bereichen auch wohl nicht ganz verfassungskonform sein könnte.

Die Uniko äußert sich dazu eigentlich ebenfalls sehr entlarvend und bezeichnet es als „ein von politischen Interessen getriebenes und mit mangelnder Sachkenntnis errichtetes Austriakum“. Na ja, das ist das Nächste, das man so stehenlassen muss. (Bundesrat Schennach: Das ist das Erbe von ...!

In Wahrheit ist die ITU ein als Universität getarntes – wenn man so möchte – Unternehmen, das aus staatlichen Mitteln finanziert wird und das Recht erhält, staatlich anerkannte akademische Grade zu verleihen. Das heißt, wie ich auch schon 2022 befürchtet habe und hier auch meine Befürchtung entsprechend geäußert habe, ist nach wie vor offenbar ganz bewusst eine ganz einseitige Orientierung an der Industrie und der Wirtschaft zu befürchten, frei nach: Wirtschaft bestellt – ITU liefert.

Die Freiheit der Wissenschaft muss gewahrt sein. Ich glaube, da sind wir uns einig, und da habe ich in diesem Zusammenhang leider so meine Zweifel, und offensichtlich nicht nur ich allein, sondern viele andere mehr. Dazu komme ich aber später noch genauer.

Jedenfalls kann das nicht unser Anspruch für den Wissenschaftsstandort Österreich sein, schon gar nicht in der Digitalisierung, dem Bereich, der uns ja auf so vielfältige Art und Weise und auch gesamtgesellschaftlich betrifft und vor allem noch wirklich ungeahnte Veränderungen und Herausforderungen für uns haben wird, von denen wir uns heute wahrscheinlich noch nicht einmal vorstellen können, dass sie uns betreffen werden.

Schauen wir uns das Gesetz weiter an; Stichwort Struktur- und Machtfülle, was den Präsidenten oder die Präsidentin betrifft: Anders als bei öffentlichen Unis soll es hier kein Rektorat geben, sondern eben einen Präsidenten oder eine Präsidentin – aktuell haben wir eine Gründungspräsidentin – mit vergleichsweise weit mehr alleiniger Entscheidungskompetenz, als dies bei öffentlichen Unis der Fall wäre. Es soll ein Kuratorium statt einem Universitätsrat geben, eine Universitätsversammlung anstelle der Senate, wobei man dazu sagen muss, dass die Versammlung lediglich beratende Funktion haben kann. Sie ist daher demokratiepolitisch eher eine Scheinversammlung, wenn man so möchte.

Stichwort privatrechtliches Verhältnis der Studierenden – auch wieder im Unterschied zu den öffentlichen Unis –: Die Studierenden werden in Wahrheit zu Kunden, die Uni ist Dienstleister. Ich stelle mir schon die Frage: Es ist immer wieder auch die Rede von – ich zitiere wieder – sozial verträglichen Studiengebühren, was auch immer man unter sozial verträglichen Studiengebühren zu verstehen hat. Das ist jedenfalls nicht in unserem Sinne einer offenen universitären Bildung und Ausbildung, die gerade im Bereich der Digitalisierung von so ganz zentraler Bedeutung wäre. Daher gibt es auch in diesem Punkt ein klares Nein von unserer Seite. (Beifall bei der SPÖ.)

Was die Qualifizierung des Personals betrifft, haben wir das Gesetz beziehungsweise die Erläuterungen dazu ganz genau durchgelesen. Wenn ich das richtig interpretiere, reicht es offensichtlich an der ITU aus – ich zitiere –, eine berufliche Qualifikation und wissenschaftliche Erfahrung für das Fach für eine Professur mitzubringen. Ein ganz konkretes Beispiel: Ich bin stolze Besitzerin eines Lehramts für Informatik. Das würde nach dieser Bezeichnung im Gesetz dann offensichtlich für eine Professur reichen. Auch das, glaube ich, kann nicht im Sinne des Erfinders und in unserem Interesse sein.

Stichwort Aufgabenfeld der neuen Uni: Es sollen interdisziplinär und transdisziplinär neue Forschungsfelder in wissenschaftlicher und künstlerischer Forschung und Lehre bearbeitet werden. Es ist die Rede von digitaler Transformation, von digitalem Humanismus, um eine Auseinandersetzung mit der Klimakrise soll es gehen und vieles andere mehr. Das klingt fast schon prosaisch, möchte ich sagen. Es ist jedenfalls eine riesige Fülle und Breite, mit der es die Uni jetzt zu tun bekommen soll. Schließlich ist der gesamte Bereich der Digitalisierung eine Querschnittsmaterie, die eben in viele Bereiche unseres Lebens hineinspielt. Auch da sind wir mit unserer Kritik nicht allein. Die Akademie der Wissenschaften hält dies einfach als viel zu breit gefasst und stellt in vielen Bereichen auch eine Doppelung zu anderen Unis fest.

Auch wir bemerken: Es gibt schon Expertise in vielen, vielen Bereichen, an vielen Standorten und Institutionen, die sich in dem Bereich auch schon mit Grundlagenforschung beschäftigen. Das heißt, hier hätte man auf alle Fälle auf bereits bestehenden Einrichtungen – JKU natürlich zum Beispiel – gut aufbauen können und müssen, anstatt in Wahrheit künstlich neue Strukturen zu schaffen. Da ist auch ganz klar unsere Kritik angelegt.

Ich habe auch schon 2022 etwas vermisst und das tue ich auch heute noch, nämlich ein entsprechendes Konzept zu diesem Konstrukt. Dieses riesige thematische Feld gehört einfach entsprechend aufgearbeitet und konkretisiert. Mir ist diesbezüglich noch nichts bekannt, und auch auf der Homepage der ITU finde ich bis dato nicht allzu viel. Dort sind eher noch rudimentäre Angaben und eher Schlagwörter zu finden. Allerdings – und das sollte uns schon zu denken geben – soll im Herbst der Studienbetrieb beginnen.

Bis heute stehen allerdings meines Wissens noch keine Professuren fest, es liegen nach wie vor keine Curricula vor. Wir haben im Ausschuss gehört, sie sind in Planung, die Planungen dafür laufen. Wenn wir uns aber den Zeitplan bis zum Herbst hernehmen, ist das schon eine ziemlich ambitionierte Sache, wenn man das in so wenigen Monaten bewerkstelligen will. Auch da gibt es also eindeutig Kritik unsererseits.

Was bleibt und als was sich dann die ITU leider am Ende des Tages und nach dem vermutlichen heutigen Beschluss herausstellt und darstellt, ist Folgendes: Es ist schlicht und einfach ein teures Kurz’sches Wahlkampfzuckerl aus dem oberösterreichischen Landtagswahlkampf.

Immerhin – und das dürfen wir, glaube ich, an dieser Stelle nicht vergessen – wird die ITU dem Bund und somit den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern jährlich knappe 117 Millionen Euro kosten. Ich denke, das ist Geld, das man im öffentlichen Unibereich sicher noch besser und noch sinnvoller hätte einsetzen können, denn die öffentlichen Unis – das wissen wir, und das habe ich auch schon 2022 erwähnt – würden sich über 110 Millionen Euro jährlich mehr sicher ganz besonders freuen. Die haben es ganz dringend notwendig. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrat Arlamovsky.)

20.38

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Vizepräsident Franz Ebner. Ich erteile dieses.