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Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, ich weiß nicht, warum Sie sich vor mir zu Wort gemeldet haben, denn jetzt kommt doch noch einiges, was Sie sicher nicht freuen wird, wie Sie erwarten können.

Die Kritikpunkte meiner Vorredner:innen von SPÖ und FPÖ teile ich eigentlich vollinhaltlich. Deswegen brauche ich das, was sie gesagt haben, nicht alles zu wiederholen. Ich werde Ihnen jetzt erläutern, warum ich das Ganze nicht für eine echte Universität nach unserem historischen Verständnis und unseren verfassungsrechtlichen Vorgaben halte.

Ich meine, ein bisschen lustig ist es, wie am Anfang schon zum dritten Mal der Name geändert wird, aber man sich nicht darüber traut, tatsächlich den Namen zu ändern. Arbeitstitel ist TU Linz, in einem Gesetz ist das nie gestanden, im Gründungsgesetz ist als Name Institute of Digital Sciences Austria gestanden. Jetzt soll das ganze ITU heißen, aber es heißt immer noch Institute of Digital Sciences Austria, aber mit dem Namen ITU, und ist eine Technische Universität. Also was jetzt? Sie müssten sich für etwas entscheiden und nicht die dritte Marke übereinanderpicken. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Was Sie über die historischen Beispiele dafür, wie Universitätsgründungen in Österreich in den letzten Jahrzehnten erfolgt sind, gesagt haben, das ist schon richtig, dass es da eigene Gründungsgesetze gegeben hat und die Überführung in das jeweilige Organisationsgesetz erst nachher stattgefunden hat. Dieses eigene Gründungsgesetz hat es aber schon gegeben, es ist die geltende Rechtslage. Dieses Gründungsgesetz wird jetzt mit 30.6. außer Kraft gesetzt.

Es wird nun ein neues Organisations- und Studiengesetz geschaffen, das sich aber nicht in die Richtung des Universitätsgesetzes bewegt, sondern sich davon wegbewegt. Jetzt möchte ich wissen: Wie soll das, was sich jetzt vom Universitätsgesetz absichtlich wegbewegt, dann irgendwann in das Universitätsgesetz eingegliedert werden können?

Ich vermute auch, dass das gar nicht der Plan ist, sondern dass – wie wir im Ausschuss gehört haben und wie Sie jetzt auch angedeutet haben – das Universitätsgesetz in Richtung der organisatorischen und studienrechtlichen Regelungen geändert werden soll, wie Sie es in diesem Bundesgesetz über die – wie auch immer das heißt – ITU drinnen haben.

Das erweckt große Befürchtungen, denn so, wie diese Institution aufgesetzt ist, fehlen einige Dinge, die es für eine Universität braucht. Die Universitätsautonomie und die Wissenschaftsfreiheit verlangen von der Universität bestimmte Komponenten.

Etwas, das an dieser Universität komplett fehlt, sind Habilitationen. Das kann man schon politisch wollen – in anderen Ländern gibt es das auch nicht –, aber dann muss man dazu stehen und darf nicht sagen, dass das ein Pilotprojekt für die Universität der Zukunft sein soll.

Was an dieser Universität auch komplett anders geregelt wird, sind Berufungen. Wir wissen alle – also wahrscheinlich nicht alle, aber wir beide (in Richtung Bundesminister Polaschek) –, wie Berufungsverfahren an Universitäten ausschauen, mit Kommissionen, die paritätisch zusammengesetzt werden, damit das Ganze eine Selbstergänzung darstellt, übrigens genauso, wie die Habilitation eine Selbstergänzung der Universität, und zwar der Personen, die Wissenschaftsfreiheit genießen, darstellt.

An dieser Universität gibt es einen einzigen Halbsatz über Berufungen. Die Vorgabe für den Inhalt der Satzung ist nämlich, dass Berufungen irgendwie geregelt werden müssen. Wie die erfolgen – dass sie zum Beispiel monokratisch durch den Präsidenten, ohne Beteiligung der anderen Professoren an der Universität, erfolgen sollen, ist dadurch möglich –, führt auch weg von dem, was das B-VG in Wirklichkeit an Vorgaben für die Universitäten macht. (Beifall bei der SPÖ.)

Für Sie als Rechtshistoriker interessant ist, dass dieses Ding auch überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was der Begriff Universität eigentlich heißt. Universität heißt – ich erläutere es den anderen – in Wirklichkeit so etwas wie Selbstverwaltungskörperschaft, und zwar Selbstverwaltungskörperschaft aus verschiedenen Personengruppen.

Früher, im späten Mittelalter, waren die Studierenden in Wirklichkeit die mächtigste Personengruppe an den Universitäten, weil sie den Rektor bestimmt haben. Es hat dann mehrere Kurien gegeben, die in bestimmten Paritäten die Angelegenheiten der Universitäten entschieden haben, teilweise Viertelparität. Viertelparität hat geheißen, die Hälfte für die Professoren und jeweils ein Viertel für andere Kurien. In studienrechtlichen Angelegenheiten hat es so etwas wie eine Drittelparität gegeben, das heißt, ein Drittel Studierende.

Das gibt es da alles nicht. Es gibt ein einziges Universitätsorgan, in dem verschiedene Personengruppen vertreten sind, also eigentlich zwei, aber eines hat nicht wirklich Kompetenzen. Das, was da den Titel Universitätsversammlung bekommt und überhaupt nicht mit dem zu vergleichen ist, was in früheren Organisationsgesetzen stand, als es Universitätsversammlungen gegeben hat, die zum Beispiel einen Rektor gewählt haben, umfasst 21 Personen. 12 davon sind Professoren und Postdocs, die über 50 Prozent Beschäftigungsausmaß haben, 5 von 21 Personen sind Studierendenvertreter, 4 von 21 Personen sind nicht wissenschaftliches Universitätspersonal, allgemeines Universitätspersonal.

Die haben als einzige Beschlusskompetenz – alles andere sind beratende oder Informationsrechte –, dass sie drei von den sieben gewählten Mitgliedern des Kuratoriums bestellen. Das ist die einzige Kompetenz von dem, was da Universitätsversammlung heißt. So etwas wie einen Senat, was es in früheren Organisationsrechten oder dem noch bestehenden UG gibt, gibt es da überhaupt nicht, und deswegen ist natürlich völlig klar, warum man den Begriff Senat ehrlicherweise nicht für irgendein Gremium in diesem Konstrukt verwenden kann.

Was es anstelle des Universitätsrates gibt, ist das Kuratorium, nicht mit einer variablen Mitgliederzahl wie beim Universitätsrat – also nicht fünf, sieben oder neun –, sondern da gibt es neun Mitglieder, von denen sieben bestellt werden. Drei von diesen sind von der Regierung, weitere drei von der sogenannten Universitätsversammlung, eine Person von der ÖH, und diese sieben bestimmen dann zwei weitere.

Es ist ein ähnlicher Einfluss von außeruniversitären Gremien, der Regierung, im Universitätsrat, bei dem exakt die Hälfte von der Regierung bestellt wird, aber dieses Kuratorium hat praktisch nichts zu sagen. Dieses Kuratorium kann die Vorlagen absegnen, die von der Präsidentin, dem Präsidenten kommen, kann aber selber keine Initiativen setzen und keine Änderungen vorschlagen.

Im Wesentlichen ist die Organisation dieser Institution eine ziemlich monokratisch aufgebaute, weil – im Unterschied auch zum bisherigen Organisationsrecht – dem Präsidenten, der Präsidentin keine Vizerektorin, kein Vizerektor zur Seite steht. An den Universitäten gibt es ja aktuell zumindest ein Rektorat mit einem Rektor und bis zu vier Vizerektor:innen. Das gibt es da alles nicht. Also die Organisation von diesem Konstrukt ist mehr oder weniger eine monokratische Leitung mit einem Kuratorium, das Sachen abnicken darf oder auch nicht, und das war es im Wesentlichen.

Was auch ziemlich relevant ist, ist die sogenannte Kurie des wissenschaftlichen Personals, Professorinnen und Professoren und – ich habe sie vorhin erwähnt – Postdocs mit über 50 Prozent Beschäftigungsausmaß.

Dann gibt es auch noch ein Kurie des allgemeinen Personals.

Wer aber überhaupt nichts mitzureden hat, nicht einmal bei der kleinen Kompetenz der Bestellung von Mitgliedern der Universitätsversammlung, sind das wissenschaftliche Personal der Praedocs und die Postdocs, die Teilzeit unter 50 Prozent beschäftigt sind. Die haben ja überhaupt nichts zu melden. Abgesehen vom Dienstrecht, bei dem es auch noch Nachteile gibt, wird die prekäre Situation des wissenschaftlichen Personals an dieser Institution überhaupt nicht berücksichtigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben auch im Ausschuss gehört, dass dann neue studienrechtliche Möglichkeiten bestehen sollen. Ich habe mir das im Detail angeschaut, also wirklich innovativ ist das nicht. Die gesetzlichen Vorgaben – also nicht einmal, dass das jetzt der Satzung überlassen wird – basieren auf einem Vollzeitstudium. So etwas wie ein berufsbegleitendes Studium ist also nicht vorgesehen, weil nämlich ab einer Überschreitung der vorgesehenen Studienzeit um zwei Semester Studiengebühren fällig werden, was Teilzeitstudien im Wesentlichen nicht ermöglicht, außer man zahlt mindestens 600 Euro im Semester, was auch mehr als bei den anderen Universitäten ist.

Zum Schluss auch noch etwas Interessantes, das man sich vielleicht nicht überlegt hat: die Timeline für das Inkrafttreten der Studien. Sie haben schon gesagt, so etwas wie ordentliche Studien wird es jetzt noch nicht geben. Wahrscheinlich gibt es also Universitätslehrgänge am Anfang.

Wie kommen nämlich die Curricula zustande? Da könnte bei den Übergangsbestimmungen vielleicht etwas passiert sein, weil nämlich das bisherige Gesetz mit 30.6. außer Kraft tritt. Mit 1.7. tritt dieses neue Gesetz in Kraft. Im bisherigen Gesetz gab es die Möglichkeit, dass eine vorläufige Satzung beschlossen wird. Diese vorläufige Satzung enthält aber keine Bestimmungen über Curriculakommissionen, weil nämlich Curricula vom Gründungskonvent direkt gemacht werden können. Bis 30.6. hat jetzt der Gründungskonvent noch die Möglichkeit, Curricula zu machen. Curricula für Studienrichtungen, die nicht der Gründungskonvent bis 30.6. erlässt, können nach 1.7. nicht mehr erlassen werden, weil die Gründungspräsidentin und der Gründungskonvent zwar im Amt bleiben und die Funktionen von Präsidentin, Präsident und Kuratorium ausüben und die vorläufige Satzung in Kraft bleibt, bis eine neue Satzung beschlossen wird, aber erst in einer neu zu beschließenden Satzung Bestimmungen über die Curriculakommissionen stehen können. Curricula für Studienrichtungen, die nicht bis 30.6. beschlossen werden, werden deshalb wahrscheinlich durchaus das eine oder andere Semester brauchen – bis eine neue Satzung vom Präsidenten vorgeschlagen wird, vom Kuratorium abgenickt wird, in der steht, wie Curriculakommissionen errichtet werden. Die müssen dann erst besetzt werden.

Das heißt, die ambitioniert angekündigte Perspektive, dass ab Herbst 2024 Doktoratsstudien und ab 2025 Masterstudien angeboten werden können, halte ich für – ambitioniert, wäre sehr wohlwollend gesprochen – einen ähnlichen Marketinggag wie die Errichtung der Universität überhaupt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.10