22.02

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! „Bäume: früher entlang des Weges dann im Weg und jetzt weg.“ – Das ist ein Zitat aus dem Leitfaden Baummanagement, dazu kurz später.

Wir kennen aber leider viele Beispiele aus Wien, dass wir traurig und oft auch leider sehr verärgert sind, wenn wir vor einem gefällten oder vor einem zu Tode gestutzten, oft sehr alten Baum stehen müssen (Bundesrat Steiner: In Innsbruck auch!), und uns nicht wirklich erklären können, warum das so ist. Letztendlich ist das im Auer-Welsbach-Park passiert, wo in einer fast Nacht-und-Nebel-Aktion 19 alte Bäume gefällt wurden (Bundesrat Steiner: Gestern in Innsbruck!), weil sie die Parkbesucher:innen gefährden könnten. Die Betonung liegt auf könnten, auf entsprechende Gutachten warten leider die Bezirksbewohner:innen heute noch.

Baumbesitzer:innen, und die Stadt Wien ist natürlich die größte Baumbesitzerin außerhalb von Wäldern, außerhalb von Waldbesitz, waren bisher sehr übervorsichtig. Bäume wurden meist nach Schema F und ohne Einzelfallbegutachtung weit zu schnell geschnitten. Warum? – Weil man bisher für Bäume im Schadenersatzrecht des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches nach der Bauwerkshaftung haftete, also nicht Baum-, sondern Bauwerkshaftung.

Diese ist zu Recht streng, denn man muss nur bedenken, dass es natürlich tödlich sein kann, wenn von den Häusern, die direkt auf dem Gehsteig stehen, wo Leute gehen, etwas runterfällt. Deswegen hat man auch für diese Bauwerkshaftung eine Beweislastumkehr im bürgerlichen Gesetzbuch eingeführt, damit sozusagen die Bauwerksbesitzer sehr sorgfältig sind und auch beweisen müssen, wenn etwas passiert, dass sie kein Verschulden getroffen hat, also auch kein Verschulden mit leichter Fahrlässigkeit, und sie alle Maßnahmen gesetzt haben, um den Unfall zu vermeiden.

Das wurde analog auf die Bäume angewendet und führte aus dieser großen Angst, aus dieser großen Haftungsangst sehr schnell zu vorauseilenden Baumschnitten. Nun wissen wir aber, und es hat sich viel geändert, eben vor allem auch im Klimaschutz, dass wir gerade in den dicht verbauten Gebieten der Städte, die im Sommer unerträglich heiß werden, sehr dringend auf diese Bäume angewiesen sind. Wir sind vor allem auf große und dichte Bäume angewiesen, denn sie spenden Schatten, geben Feuchtigkeit ab, binden Schadstoffe, reinigen die Luft, aber vor allem auch weil sie die Städte tatsächlich um mehrere Grade kühlen. Sie schützen aber auch den Boden vor Austrocknung und vor Erosion, und sie geben – und das auch in der Stadt – Tieren Lebensraum und Rückzugsort, also Stichwort: Biodiversität und Artenschutz. Das ist uns wichtig.

Wir haben jetzt erkannt: Je größer und älter der Baum ist, desto besser erfüllt er eben diese Aufgaben, aber er muss auch alt werden können. Aufgrund dieses jetzt auch definierten allgemeinen Interesses wurde nun ein eigener Baumhaftungsparagraf ins ABGB eingefügt, § 1319b. Der schreibt fest, dass Bäume möglichst naturbelassen erhalten bleiben sollen und Baumhalter:innen natürlich auch weiterhin für Schäden haften, aber diesmal nach den allgemeinen Regeln der Beweislast des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, nämlich nach der Regel, dass die Kläger:innen nachweisen müssen, ob diese Sorgfaltspflichten eingehalten worden sind oder nicht.

Diese Sorgfaltspflichten werden auch definiert, und zwar eher an der Praxis. Da geht es darum, wo der Baum steht und wie zumutbar die Kontrolle, also die Prüfung und die Sicherung der Bäume ist. Sicherung muss dann in Zukunft auch nicht mehr unbedingt der Schnitt des Baumes oder des kranken Astes sein, sondern kann durchaus auch durch Warnhinweise oder Zutrittsbeschränkungen erfolgen.

Hinsichtlich der Beweislast ist vielleicht ein wichtiger Punkt, dass auch da jetzt in der Schuldfrage, also in der Abwägung der Schuld, Eigenverantwortung natürlich genauso hinzukommt und sozusagen zu beachten ist. Bäume an belebten Orten, also an frequentierten Plätzen, wie in Parks oder Kinderspielplätzen, unterliegen natürlich strengeren Kontrollpflichten als weniger frequentierte, sage ich jetzt, Bäume. Wichtig ist – das habe ich eh schon betont – das öffentliche Interesse an den großen, alten Bäumen.

Ein kleiner Punkt noch: Diese Baumhaftungsregelungen wurden sehr akribisch, wirklich sehr akribisch und sehr lange und unter großer Beteiligung von Rechtsprechung, Wissenschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft ausgearbeitet. Mit der Stadt Wien wurde ein Leitfaden Baumsicherheitsmanagement herausgegeben, den ich sehr empfehlen kann, denn er zeigt, wie diese Sorgfaltspflichten, also diese Kontrolle und diese Sicherungsmaßnahmen für Bäume zu verstehen und anzuwenden sind.

Ich freue mich wirklich sehr, dass wir das jetzt nach so einem langen Prozess hier und heute abstimmen, dass es ab 1. Mai dann in Kraft treten wird, und wir in der Stadt, vor allem in der Stadt Wien, nicht mehr um jeden Baum bangen müssen. Ich freue mich, dass die Bäume älter werden können, dass sie größer werden können und dass sie – das sind auch sehr spannende Erläuterungen dieses Mal dazu – ihre Wohlfahrtswirkung an uns Bewohner:innen der Städte und Gemeinden weitergeben können. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

22.09

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Viktoria Hutter. Ich erteile ihr dieses.